Sat. Nov 8th, 2025
Welche Kulturen priorisieren Selbstfürsorge?

Einleitung

In meinen 15 Jahren als Berater und Führungskraft habe ich gelernt, dass Selbstfürsorge kein „weiches Thema“ ist. Ob im Business oder im privaten Leben: Wer sich selbst nicht pflegt, wird langfristig nicht leistungsfähig bleiben. Besonders spannend wird es, wenn wir uns anschauen, welche Kulturen historisch und strukturell Selbstfürsorge stark priorisieren. Denn hier gibt es nicht nur gesellschaftliche Unterschiede, sondern echte Business-Learnings, die man im Alltag anwenden kann – sei es bei Mitarbeiterführung, Change-Prozessen oder Organisationsentwicklung.


Japan: Ikigai und berufliches Gleichgewicht

Japan mag nach außen hin geprägt sein von Disziplin, langen Arbeitszeiten und gesellschaftlicher Pflichterfüllung. Doch wer genauer hinsieht, erkennt, dass Selbstfürsorge tief verankert ist – allerdings auf andere Art. Das Konzept von „Ikigai“ bedeutet grob „der Grund, morgens aufzustehen“. Es verbindet Arbeit, Leidenschaft, Mission und Berufung.

In Projekten mit japanischen Geschäftspartnern habe ich erlebt: Pausen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Teil einer disziplinierten Balance. Zum Beispiel werden kurze Achtsamkeitsübungen oder bewusste Essenszeiten strikt eingehalten. Früher, 2010 herum, dachten viele westliche Firmen, Japan würde durch „Overwork“ an Effizienz verlieren. Heute sehen wir, dass japanische Unternehmen stärker investieren in Modelle, die Sinn, Kontinuität und Wohlbefinden sichern.

Für Manager bedeutet die Lektion: Selbstfürsorge ist nicht nur Erholung, sondern Identität. Wer seinen Teams hilft, ein persönliches „Ikigai“ zu definieren, erreicht langfristig weniger Fluktuation und höhere Motivation.


Skandinavien: Hygge und Work-Life-Balance

Wenn ich an Skandinavien denke, fällt mir sofort der Begriff „Hygge“ ein: dieses warme Gefühl von Geborgenheit, Ruhe und Balance. In Dänemark, Norwegen und Schweden ist Selbstfürsorge keine Extraluxus, sondern ein gesellschaftliches Grundprinzip.

Ich habe in Projekten mit schwedischen Partnern gesehen, dass das Konzept der 30-Stunden-Woche oder regelmäßige „Fika“-Pausen kein Mythos, sondern Realität sind. Dort gilt: Wenn der Mitarbeiter nicht ausgeglichen ist, wird das Unternehmen langfristig Probleme bekommen – von Produktivität bis Innovation. Bereits 2018 war es klar: skandinavische Unternehmen praktizierten flexible Arbeitsmodelle, während andere Länder noch diskutierten.

Das Ergebnis? Weniger Burn-out-Raten, mehr kreative Leistung und höhere Loyalität. Für Führungskräfte ist das eigentlich simpel: Plane Selbstfürsorge in die DNA des Unternehmens ein, anstatt es nur individuell Mitarbeitern zu überlassen.


Indien: Ayurveda und spirituelle Selbstfürsorge

In Indien spielt Selbstfürsorge seit Jahrtausenden eine zentrale Rolle – man denke an Ayurveda, Yoga oder Meditation. Diese Traditionen sind nicht nur „Wellness-Trends“, sondern systematische Methoden der physischen und psychischen Stärke.

Ich habe einen Kunden aus der IT-Branche in Bengaluru beraten, der für sein Team tägliche Yoga-Sessions während der Arbeitszeit eingeführt hatte. Das Ergebnis: Krankheitsquoten gingen deutlich zurück, Focus und Teamgeist stiegen. Was in westlichen Unternehmen noch meist als Bonus gesehen wird, ist in Indien Teil eines tiefen Alltagsverständnisses.

Für Manager ist die Kernbotschaft: Selbstfürsorge muss ganzheitlich betrachtet werden. Körper, Geist und Arbeit hängen zusammen. Und wenn ich als Leader nur auf KPI-Druck setze, werde ich langfristig verlieren.


USA: Wellness als Industriezweig

Die USA sind ein interessanter Fall. Auf der einen Seite werden sie oft mit „Hustle Culture“ gleichgesetzt – 60-Stunden-Wochen, permanente Erreichbarkeit, „Sleep is for the weak“. Auf der anderen Seite haben die USA eine gigantische Wellness-Industrie entwickelt, die Milliarden umsetzt.

Ich erinnere mich an ein Projekt in New York 2019: Ein Unternehmen hatte eine Meditation-App in den Arbeitsalltag integriert, was zunächst belächelt wurde. Zwei Jahre später hatten alle Wettbewerber ähnliche Programme eingeführt. Hier zeigt sich: Wenn der Druck am höchsten ist, wächst auch der Markt für Selbstfürsorge explosionsartig.

Das Learning: Unternehmen dürfen nicht warten, bis der Burn-out im Haus ist. Stattdessen sollten sie aktiv in präventive Angebote investieren – etwa Coachings, Apps oder Fitnessprogramme. Hier habe ich in den USA gesehen, wie Selbstfürsorge gleichzeitig zur Marke und zum Wettbewerbsvorteil wurde.

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